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Mia san Mia

Ab und zu auf eine Kundgebung zu gehen, erweitert den eigenen Horizont und klärt manchmal auch Fragen zum eigenen Dasein.
So geht es mir zur Veranstaltung von „Heimat ohne Ausgrenzung“ des Runden Tisch gegen Rassismus Dachau e.V.

Von Norbert Göttler, seines Zeichens Dr. phil. im Fach Wirtschafts- und Sozialgeschichte und bis vor kurzer Zeit namhafter Heimatpfleger unseres Bezirks, höre ich über die Jahre immer wieder. Muss ein guter Mann sein und mit seiner Rede am 30.September auf der Ludwig-Thoma-Wiese in Dachau, bestätigt er das. Mit seiner Erlaubnis hier nun veröffentlicht. Über ihn und über sein Wirken erfährt man insbesondere unter www.norbertgoettler.de


Mia san Mia in Oberbayern?

von Dr. Norbert Göttler

Von der genetischen Grundausstattung her afrikanische Wirtschaftsflüchtlinge, die, unterfüttert mit kleinasiatischen Anteilen, vor rund einer Million Jahren nach Europa kamen.

Später das angereichert durch keltisches Erbgut aus dem Moselgebiet, römisches aus Latien, vor allem aber aus Lydien, Nubien, Persien und anderen entlegenen Provinzen des Reiches.

Sodann germanische Einsprengsel, vor allem durch den namensgebenden Stamm der Boier, die aus dem Gebiet des heutigen Böhmens in das Land vor den Bergen strömten.

Von späteren Gen-Transfers durch schwedische Landsknechte und US-amerikanische GI´s mal ganz zu schweigen!

Und das sollen wir Oberbayern sein?

Die Sprache mithin ein wildes Sammelsurium aus Keltisch, Indogermanisch, Lateinisch, später dann Französisch und Englisch. Auch erhebliche Anteile an Italienisch und Tschechisch, Jiddisch und Romanatsch lassen sich aus dem bairischen Dialekt nicht wegdiskutieren.

Und die Schrift? Eine Mischung aus dem Futark-Alphabet der norddeutschen Germanen und dem gotischen Alphabet, das Bischof Wulfila um das vierte Jahrhundert im Raum des heutigen Bulgariens geschaffen hat.

Aber doch wenigstens der altbayerische Katholizismus? Abgesehen vom Religionsgründer, einem aramäisch sprechenden Semiten unbestimmter Herkunft, auch hier viel Migrantisches.

Schon die Christianisierung erfolgte durch verdächtige Subjekte, wie die französischen, irischen und schottischen Wanderprediger Korbinian, Emmeram, Rupert und Virgil. Die Quellen berichten, dass vor diesen finsteren Gestalten nicht nur die kleinen Bajuwaren-Kinder Reißaus genommen haben.

Später verehrte die Bayern vor allem Heilige wie die Italiener Benedikt, Franziskus und Katharina, den Anatolier (um nicht zu sagen Türken) Nikolaus sowie die spanischen und französischen Theresias aus Avila und Lisieux.

Einheimische Heilige – ziemliche Fehlanzeige! Generationenlang wurden bayerische Kinder nach fremden Vorbildern benannt, andere brachten es zumindest zu Viehpatronen.

Der Franzose Leonhard etwa, oder der Ägypter Antonius, den die Bayern „Sautoni“ nennen. Erstens, weil er für das Wohl der Schweinezucht verantwortlich zeigt, zweitens, um ihn nicht mit dem italienischen Antonius von Padua zu verwechseln. Den brauchen sie nämlich, wenn sie etwas verloren oder verlegt haben.

Verlegen kann man auch werden, wenn man an die steinernen Glaubenszeugen, die Kirchen und Klöster betrachtet.

Schon die Gotik, die ja nicht nur die Hauptkirchen von Regensburg, München und Landshut, sondern auch unzählige bayerische Dorfkirchen ziert, war von Frankreich herübergeweht worden, nein, auch Bayerns Hauptbeitrag zur Architekturgeschichte, das Barock und Rokoko, sind ohne welsche Baumeister und Künstler wie Viscardi und Zuccalli, Cuvilliés und Tiepolo, Lurago und Carlone gar nicht denkbar.

Wäre noch viel zu sagen über Musik und Tanz, wo Polka, Polonaise („die Polnische“) und Mazurka, auch nicht grad an der Isar, sondern eher an der Weichsel entstanden sind, oder über das Essen, das erst durch die Heimatvertriebenen mit Paprika und Gurken, Tomaten und Knoblauch angereichert wurde.

Auf die „Polnischen“, die „Krakauer“ und die „Wiener“ aus der bayerischen Wurschtkuchl können wir jetzt nicht näher eingehen, weil wir uns der Politik zuwenden wollen, nämlich dem Herrscherhaus der Wittelsbacher, die über tausend Jahre unser Land regiert haben.

Schlimm genug, dass schon das erste bayerische Herzogsgeschlecht, die Agilofinger, aus Thüringen stammte.

Auch die frühen Wittelsbacher sprachen praktisch kein Wort Deutsch – geschweige denn Bairisch -, nur Französisch, Spanisch, Holländisch und Flämisch.

Max Emanuel, dem Blauen Kurfürsten, sagte man schon zu Lebzeiten nach, „dass ihm jeder flandrische Heustadel wichtiger sei, als das gesamte Kurfürstentum Bayern“!

Teil zwei der Katastrophe dann das Aussterben der altbayerischen Wittelsbacher, sodass an der Isar fortan Pfälzer regierten und statt Flämisch Pfälzerisch sprachen, was für die Münchner in etwa auf das Gleiche hinauskam.

Auf die Tatsache, dass 1803 das neue Bayern von einem Grafen Montgelas eingeläutet wurde, kommt es jetzt auch schon nicht mehr an…

Letzter Hoffnungsträger bayerischer Stammesphantasien – der FC Bayern. Und in der Tat gebührt ihm der Schlußstein dieser Betrachtung, versucht er sich doch an der Lösung eines bisher ungelösten philosophischen Problems: der Quadratur des Kreises!

Will heißen: Eine unerträgliche Kultivierung des Sepplbayerntums, kombiniert mit einem fast 100%igen Ausländeranteil in der Mannschaft!

Das Ganze angeführt von einem Ostfriesen (Jan-Christian Dreesen), einem Westfalen (Karl-Heinz Rummenigge) und einem vorbestraften Schwaben aus Ulm!

Aber Hauptsach´: Mia san Mia!


Ich habe mich immer gefragt, warum ich so wenig mit Lederhosen, sogenannter Tracht usw. nicht anfreunden kann. Hätte ja sein können, dass meine genetische Abstammung, die zur Hälfte aus der oberschlesischen Gegend um Ratibor stammen, darauf Einfluss hätten. Aber das ist freilich Blödsinn, wie ich an meinen Verwandten feststellen kann. Den Ausdruck ‚Sepplbayerntum‘ finde ich etwas zu hart, aber es ist schon etwas, was ich nicht mit meinem Begriff von Heimat in Einklang kann. Heimat legt man sich nicht durch Äußerlichkeiten an, werden auch nicht durch Äußerlichkeiten bestimmt, sondern ist bestimmt durch ein Gefühl das über das Herz geht und mit dem Herzen verstanden wird.

Stefan Haas
als Mitglied der Seebrücke Dachau e.V. im Oktober 2023