Über die Buchvorstellung vom 1.April 2025 in Dachau schreibt die Süddeutsche Zeitung:
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/dachau/gefluechtete-dachau-traumatisierung-integration-li.3228838

Herrad Meese, Cornelia von Schelling, Waltraud Volger
und Anni Kammerlander
Am Ende sind es dann doch über zwei Stunden geworden, in denen wir über die Erlebnisse und die Schicksale von Menschen auf der Flucht und ihrem Ankommen bei uns erfahren haben. Es ist gerade die Hilfe, die viel Fachkenntnis und Erfahrung braucht, die in so vielen Fällen eine Linderung der psychischen Not erreichen kann. Etwa 30% der Menschen mit Fluchterfahrung haben ein schweres Trauma erlebt, das tief in ihnen rührt. Anni Kammerlander hat bereits Anfang der 90er Jahre den Aufbau von Refugio begonnen. Refugio München mit Außenstellen in Landshut und demnächst Augsburg hat nun über 100 Mitarbeiter:innen, die leider nur einen Bruchteil des Bedarfs abdecken können.
Ein Mensch in einer Traumakrise durchleidet das Erlebte erneut im Hier und Jetzt. So die Aussage, die ich mir weiter nur schwer vorstellen kann. Im Buch werden solche Situation, die Außenstehende nur schwer fassen können, verdeutlicht. Man ahnt wie undifferenziert jede Berichterstattung über Amoktaten von psychisch kranken Menschen sein kann und nahezu sein muss.
Posttraumatische Belastungsstörung kenne ich als Begriff im Kontext der aus Afghanistan zurückgekehrten deutschen Soldaten. Die meisten von uns haben aus ihrer eigenen Familie, wenn auch über Generationen zurück liegend, eine Ahnung was Krieg mit Menschen macht. Jahrzehntelanges Schweigen machen aber schlimmste Gewalttaten nicht ungeschehen und die Seelen verlangen eine Heilung. Wenn man sie denn findet. Und genau diese Erfahrungen aus Kriegen machen auch Menschen auf der Flucht, die bereits durch die Gründe ihrer Heimat verlassen zu müssen oft traumatisiert sind.
Syrien, Afghanistan, Irak in langen Jahren mit Krieg. Ethnische Konflikte in Nigeria und anderen afrikanischen Ländern. Diktaturen, egal welcher Farbe, terrorisieren ihre Bürger:innen, die sich nach einem Leben ohne Angst und in Freiheit sehnen.
Sicher, Deutschland hat aus seiner Geschichte gelernt und bietet im Großen und Ganzen vielen Menschen eine sichere Zuflucht, oft auch einen neuen sicheren Weg, manchmal auch eine Heimat. Darüber, dass diese Errungenschaften heute gering geschätzt werden und diese immer mehr zurück gedrängt, brauchen wir nicht zu diskutieren. Die Welt, die wir der nächsten Generation überlassen, wird auch in diesem Thema eine andere sein. 2025 ist ein Jahr, das für Chaos steht. Schon jetzt im April.
In der Rückschau haben wir seit den 90er Jahren viel im Umgang über Geflüchtete und deren Probleme gelernt. Gelernt wie man überhaupt richtig kommuniziert, über Dinge, über die man so oft nicht redet. Nicht reden will, nicht reden kann. Wenn Behörden in diesem Kontext nicht nur involviert sind, sondern über Leben entscheiden, hat das nochmal eine weitere Ebene von Dramatik. Dass man an entscheidender Stelle auch in der Verwaltung kultursensibel sein kann, tatsächlich auch als Behörde nachhaltig und kenntnisreich helfen kann, ist bewiesen. Leider geht das Wissen darum immer wieder verloren, wenn der Wille zum Helfen verloren geht.
Anni Kammerlander, Gründerin von Refugio, lobt daher auch ausdrücklich die Asylhelferkreise. Dort wo sich Menschen für andere, fremde Menschen ehrenamtlich einsetzen, dort geschieht echte Hilfe, die Lebenswege oder überhaupt das Überleben neu möglich machen. Uns weiter und noch mehr zu vernetzen, es zu schaffen, dass möglichst viele an einen Strang ziehen, daran müssen wir weiter bauen. Das Wissen darf nicht verloren gehen. Wichtig ist es, möglichst auch neue Leute und junge Leute zu begeistern. Auch das können wir der nächsten Generation mitgeben. Der Abend hat auf jeden Fall dazu beigetragen.
Mir hat es geholfen, trotz der viele Rückschläge und vor allem trotz der anscheinend immer kälter und gefühllos werdenden Einheimischen, weiter dabei zu bleiben. Alles was wir heute positiv beeinflussen, kann auch in Jahrzehnten noch wirken. Und wenn wir etwas brauchen, dann ist es die Hoffnung auf eine gute und bessere Zukunft auf diesen Planeten. Dieses Buch macht Hoffnung.

Danke an alle, die dabei waren!
Stefan Haas, am 3.April 2025
Buchvorstellung & Gespräch
mit den Autorinnen Herrad Meese, Cornelia von Schelling, Waltraud Volger und der Gründerin von Refugio München Anni Kammerlander.
1.April 2025 um 19 Uhr im Adolf-Hölzel Haus Dachau
In unterschiedlichen Kontexten begegnen uns Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten. So gut wie nie ahnen wir, welch bittere und gewaltsame Erfahrungen sie in ihrem Heimatland und auf ihrer Flucht erlebt haben.
Sechs Geflüchtete haben Cornelia von Schelling und Waltraud Volger einen Blick hinter ihre nur scheinbar normale Welt gestattet. In zahlreichen Treffen haben sie ihnen ihre schmerzhafte Geschichte anvertraut – warum es keine Alternative zur Flucht aus ihrem Land gab und zu welch tiefen psychischen Verstörungen das geführt hat.
Die Schatten der Vergangenheit erschweren Geflüchteten ein einigermaßen sicheres, normales Leben. Refugio München, das Beratungs- und Behandlungszentrum für Menschen mit Fluchterfahrung, ermöglicht ihnen, einen Weg dahin zu finden: mithilfe professioneller psychosozialer, therapeutischer und pädagogischer Arbeit sowie der systematischen Einbeziehung der Prägungen der Geflüchteten durch deren kulturelle Wurzeln. Sieben Texte zeigen diese Angebote von Refugio München in Theorie und Praxis.
Herrad Meese, Germanistin, M.A., freie Autorin und Lektorin, lebt in München.

Im Bereich Deutsch als Fremdsprache veröffentlichte sie ein multimediales Lehrwerk, ein Buch zur Grammatikvermittlung, zwei Radiosprachkurse. Seit langem engagiert sie sich politisch zum Thema Migration und Flucht, u.a. 5 Jahre als Referentin für Bildung und Migration in der Stadtratsfraktion.
Cornelia von Schelling, promovierte Amerikanistin, lebt in München.

Sie war als Redakteurin tätig und veröffentlichte Sachbücher zu psychologischen Themen sowie mehrere Bücher über Lateinamerika.
Sie ist Mitherausgeberin und eine der Autorinnen der 2015 im Allitera Verlag erschienen Anthologie „Die Hoffnung im Gepäck – Begegnungen mit Geflüchteten.“
Waltraud Volger, lebt in München

Sie engagiert sich seit Jahren ehrenamtlich bei Refugio München, u.a. als Vorständin im Refugio Förderverein. 2008 wurde die von ihr aufgezeichnete Autobiografie der Schwabinger Gisela veröffentlicht.
Alle drei Autorinnen engagieren sich ehrenamtlich im Förderverein von Refugio München.

Anni Kammerlander gründete 1994 mit anderen couragierten Frauen Refugio München, das Beratungs- und Behandlungszentrum für Menschen mit Fluchterfahrung.

Sie war dort bis 2012 Geschäftsführerin und ist bis heute Vorständin im Förderverein Refugio München und in der Stiftung ChancenReich. Sie engagiert sich unermüdlich für Geflüchtete, die psychosoziale Hilfe brauchen und hat durch ihren jahrzehntelangen Einsatz einen großen Erfahrungsschatz in der Geflüchtetenhilfe.